Was gesunde Spiritualität braucht: Ganzheitlichkeit.

Was gesunde Spiritualität braucht: Ganzheitlichkeit.

Immer wieder ist von ihr zu hören – fast könnte man meinen, dass sie ein Modewort geworden ist: Ganzheitlichkeit. Alles muss ganzheitlich sein. Dabei ist Ganzheitlichkeit etwas, das wesentlich über Achtsamkeitskurse und Wellnesshotels hinausgeht!

Ganzheitlichkeit: Der Ruf nach dem Wahren, Guten und Schönen in franziskanischer Spiritualität

In unserer modernen Welt, die oft von Fragmentierung, Hektik und Trennung geprägt ist, sehnen wir uns nach Ganzheitlichkeit – nach einem Leben, das nicht zersplittert ist, sondern in Harmonie und Einheit steht. Was bedeutet es, ganzheitlich zu leben? Vor allem im christlichen Kontext, und besonders in der franziskanischen Spiritualität, finden wir tiefe Einsichten in das, was es heißt, das Leben in Fülle zu leben. Dieses Verständnis verbindet das Wahre, Gute und Schöne in konkreten, praktischen Dimensionen unseres Alltags.

Franziskus von Assisi, der Heilige der Einfachheit und der liebevollen Verbundenheit mit der Schöpfung, verkörpert ein ganzheitliches Leben auf beeindruckende Weise. Seine Spiritualität zeigt uns, wie die klassischen Begriffe des Wahren, Guten und Schönen nicht nur theoretische Prinzipien sind, sondern konkrete Lebensweisen, die uns zu einem tiefen Einssein mit Gott, den Mitmenschen und der gesamten Schöpfung führen.

1. Das Wahre – Christus als Mitte des Lebens

In der franziskanischen Spiritualität ist das Streben nach Wahrheit nicht nur eine intellektuelle Aufgabe, sondern eine tiefe spirituelle Praxis. Für Franziskus von Assisi war die Wahrheit eng mit der Person Jesu Christi verbunden. Er suchte nicht nur nach Wissen, sondern danach, Christus in jeder Hinsicht nachzufolgen. Diese Wahrheit zu leben, bedeutet, die Prinzipien des Evangeliums in den Alltag zu integrieren.

Praktische Beispiele:

  • Kontemplation und Gebet: Für Franziskus war das Gebet ein täglicher Rückzug in die Gegenwart Gottes. Ein ganzheitliches Leben umfasst daher regelmäßige Zeiten der Stille und Kontemplation, in denen wir uns auf die Wahrheit Gottes fokussieren. Ein einfacher Tagesablauf könnte darin bestehen, morgens und abends bewusst Momente der Stille einzulegen, um uns auf Christus auszurichten.
  • Ehrlichkeit und Authentizität: Ganzheitlich zu leben bedeutet, wahrhaftig zu leben – nicht nur in Bezug auf Gott, sondern auch gegenüber uns selbst und anderen. Franziskus lebte radikale Ehrlichkeit und Einfachheit. Ein Beispiel könnte sein, die Beziehungen zu anderen auf Authentizität und Transparenz zu gründen. Das bedeutet, nicht vorzugeben, etwas zu sein, was wir nicht sind, und aufrichtig zu den eigenen Fehlern zu stehen.
  • Verzicht auf unnötigen Konsum: Die Wahrheit erkennen, heißt auch, sich von den falschen Versprechen der Konsumgesellschaft zu lösen. Ein ganzheitliches Leben kann sich in bewussten Entscheidungen wie dem Verzicht auf materielle Überflüssigkeiten äußern, um Platz für geistliche Tiefe zu schaffen. Franziskus lebte radikale Armut und erkannte darin die Wahrheit seiner Abhängigkeit von Gott.
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Photo by Anuja Tilj on Pexels.com

2. Das Gute – Nächstenliebe und die Verbundenheit mit der Schöpfung

Die franziskanische Spiritualität betont die praktische Umsetzung der Güte Gottes in der Welt. Für Franziskus bedeutete das Gute zu tun, nicht nur ethische Prinzipien zu beachten, sondern in radikaler Liebe gegenüber Gott, den Mitmenschen und der Schöpfung zu handeln. Franziskus‘ Liebe zur Schöpfung ist hier ein besonders eindrückliches Beispiel dafür, wie Güte ganzheitlich gelebt wird.

Praktische Beispiele:

  • Dienst an den Armen und Schwachen: Franziskus lebte in enger Verbundenheit mit den Armen und Ausgegrenzten. Ein modernes Beispiel wäre der Dienst an Bedürftigen – ob in der direkten Unterstützung von Obdachlosen, der Teilnahme an sozialen Projekten oder dem bewussten Engagement für soziale Gerechtigkeit. Ein ganzheitliches Leben bedeutet, sich nicht nur um sich selbst zu drehen, sondern für andere da zu sein.
  • Respekt vor der Schöpfung: Franziskus sah die gesamte Schöpfung als Ausdruck der Güte Gottes und lebte in tiefer Achtung vor der Natur. Ganzheitlichkeit kann im Alltag bedeuten, bewusst auf Umweltschutz zu achten: Müll zu reduzieren, nachhaltig zu konsumieren oder sich für den Erhalt von Tier- und Pflanzenwelt einzusetzen. Ein Beispiel wäre, plastikfrei zu leben oder regionale und saisonale Lebensmittel zu bevorzugen.
  • Gewaltlosigkeit im Umgang miteinander: Franziskus förderte ein Leben in Frieden und Versöhnung. Ganzheitliches Leben zeigt sich im praktischen Alltag auch darin, Konflikte friedlich zu lösen, auf Rachegedanken zu verzichten und stattdessen Vergebung zu praktizieren. Dies könnte im Arbeitsumfeld oder in der Familie konkret werden, indem man Streitgespräche bewusst mit Sanftmut und Verständnis angeht.
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Photo by Petr Ganaj on Pexels.com

3. Das Schöne – Die Schöpfung als Spiegel göttlicher Herrlichkeit

In der franziskanischen Spiritualität hat die Schönheit eine besonders tiefe Bedeutung. Franziskus sah in der Schönheit der Schöpfung einen lebendigen Ausdruck von Gottes Herrlichkeit. Er betrachtete die Natur nicht als bloße Ressource, sondern als sakramentales Zeichen, das uns zur Verehrung und Dankbarkeit führt. Die Schönheit im franziskanischen Sinn ist jedoch nicht nur äußerlich, sondern eine innere Harmonie, die entsteht, wenn Wahrheit und Güte zusammenkommen.

Praktische Beispiele:

  • Einfache Freude in der Natur: Franziskus ermutigte, die Schönheit der Schöpfung zu genießen und zu feiern. Ein ganzheitliches Leben könnte hier bedeuten, regelmäßig Zeit in der Natur zu verbringen, um sich an Gottes Schöpfung zu erfreuen. Sei es ein Spaziergang im Wald, das Beobachten der Sterne oder das Pflegen eines Gartens – es sind diese einfachen Akte der Dankbarkeit, die die innere Schönheit der Welt offenbaren.
  • Schönheit in den Alltag integrieren: Ganzheitlichkeit drückt sich auch in der Gestaltung unseres Lebensumfeldes aus. Die Schaffung von schönen, ordentlichen und harmonischen Räumen – sei es zu Hause, in der Kirche oder im Arbeitsumfeld – kann Ausdruck eines Lebens sein, das von Gottes Schönheit durchdrungen ist. Dies könnte so praktisch sein wie das Pflanzen von Blumen, die Gestaltung eines meditativen Raumes oder die Pflege von Ritualen der Dankbarkeit.
  • Kreativität als Ausdruck des Schönen: Ganzheitlich zu leben bedeutet auch, die eigene Kreativität zu entfalten, sei es durch Kunst, Musik, Poesie oder andere Formen der Schöpfung. Franziskus selbst war ein Poet und Musiker, der den Sonnengesang schrieb. Jeder Mensch kann durch seine Kreativität die Schönheit Gottes ausdrücken – ein praktisches Beispiel wäre, sich bewusst Zeit für künstlerische Hobbys zu nehmen, die Freude, Frieden und Schönheit ins eigene Leben bringen.
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Ganzheitlichkeit in franziskanischer Spiritualität: Leben in Harmonie mit Gott, den Menschen und der Schöpfung

Die franziskanische Spiritualität zeigt uns, dass Ganzheitlichkeit keine bloße Theorie, sondern eine praktische Lebensweise ist. Franziskus lebte in tiefer Harmonie mit Gott, den Menschen und der Schöpfung, und er zeigt uns, dass diese Ganzheitlichkeit durch einfache, konkrete Handlungen erreichbar ist. Die Verbindung von Wahrheit, Güte und Schönheit findet ihren Ausdruck im gelebten Alltag – in der Art und Weise, wie wir beten, handeln und die Welt um uns herum schätzen.

sculpture of francis of assisi with animals on river
Photo by Carlos Moura on Pexels.com

Schlussfolgerung: Der franziskanische Ruf zur praktischen Ganzheitlichkeit

Franziskus von Assisi lädt uns dazu ein, die Welt mit neuen Augen zu sehen – mit Augen, die die tiefe Wahrheit in Christus erkennen, die Güte in allen Dingen suchen und die Schönheit in der Schöpfung feiern. Ein ganzheitliches Leben bedeutet, jeden Aspekt unseres Lebens auf diese drei göttlichen Prinzipien auszurichten. Dabei geht es nicht nur um große, heldenhafte Taten, sondern um einfache, alltägliche Entscheidungen: in Wahrheit zu leben, Gutes zu tun und Schönheit zu erkennen.

Indem wir diese Prinzipien in unseren Alltag integrieren – durch Gebet, Dienst, ökologische Verantwortung, friedvolle Beziehungen und die Freude an der Schöpfung – verwirklichen wir die ganzheitliche Berufung, die Franziskus uns vorgelebt hat. So können auch wir, wie er, zu Zeugen des Wahren, Guten und Schönen in einer oft zersplitterten Welt werden.

Ein wenig passiert das auch (zumindest bei mir) von Selbst, wenn ich mich wieder meiner Spiritualität widme und Kontakt zu Gott suche: etwa in meinen Schweigeexerzitien dieses Jahr. Da habe ich gerade was Schönheit angeht die Welt zumindest für ein paar Tage mit neuen Augen sehen gelernt… 😊

peaceful outdoor meditation by a lake
Photo by Amie Roussel on Pexels.com

Ausblick: Kriterium für gesunde Spiritualität

Wie du im vorangegangenen Artikel schon bemerkt hast, habe ich auch in diesem Artikel schon ganz viel franziskanische Spiritualität einfließen lassen. Aber Ganzheitlichkeit spielt natürlich nicht nur in der franziskanischen Linie eine Rolle. Nein, vielmehr zeichnet sie jede Spiritualität als eine gesunde aus, wenn sie ganzheitlich aufgestellt ist. Denn nur wenn Spiritualität uns in unserem ganzen Dasein anspricht, uns nicht dazu bewegen will, Teile unseres Daseins wegzulassen oder weniger zu fokussieren oder gar zu vernachlässigen, führt sie uns zu dem, zu dem uns Spiritualität im Letzten schon laut dem Jesus der Evangelien im NT führen soll:

Jesus spricht: „Ich bin gekommen, damit ihr das Leben habt und es in Fülle habt.“

– Joh 10,10

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