Werte sind nicht nur Worte auf Papier – sie sind wie Samen, die im Alltag Wurzeln schlagen, wenn wir ihnen Raum geben. Ich habe für mich sechs Werte gefunden, die mich leiten und tragen: Wachsames Herz, Liebende Hingabe, Zärtliche Nähe, Barmherzige Begleitung, Wahrhafte Klarheit und Lebensbejahung. Sie leben nicht abstrakt, sondern in den kleinen Momenten des Alltags. Inspiriert wurden diese Werte von der franziskanischen Spiritualität und der Vinzentinischen, die auf VInzenz von Paul und Louise von Marillac, sowie Johannes von Gott zurück gehen. Besonders wichtig ist mir dabei die Balance zwischen aktiven und kontemplativen Elementen.
Wachsames Herz
Ein wachsames Herz bedeutet, den Moment zu spüren und die Gegenwart Gottes in allem zu erkennen. Es zeigt sich, wenn ich morgens innehalte, bewusst atme und wahrnehme, wie die Welt um mich erwacht. Auch in Gesprächen mit anderen öffnet sich das Herz: ich höre wirklich zu, sehe die Bedürfnisse meines Gegenübers und lasse zugleich los, was ich nicht kontrollieren kann. Aber auch auf die Bedürfnisse und Grenzen von mir selbst höre ich achtsam und wachsam hin. Ich nehme mich mit meinen Unzulänglichkeiten und Grenzen an und lasse den Leistungsdruck los, der mich dazu bewegt, darüber hinweg zu gehen.
Liebende Hingabe
Liebende Hingabe äußert sich darin, mich ganz auf andere einzulassen – sei es im Helfen, Zuhören oder einfach Dasein. In der Arbeit mit Menschen, die Unterstützung brauchen, kann ich mich schenken, ohne Erwartungen zu haben. Es ist diese leise Freude, die entsteht, wenn ich die Würde eines anderen respektiere und aus dem Herzen handle, getragen von Gottes Liebe. Liebende Hingabe bedeutet meinem Gegenüber ein tiefes „ja!“ zuzusprechen. Ein „Ja! Ich will, dass du bist!“ Dies spreche ich aber nicht nur anderen zu, sondern begegne auch mir selbst in eben dieser liebenden Hingabe und spreche mir zu „Es ist gut, dass du bist.“. Gerade diese liebende Hingabe uns selbst gegenüber mag für uns die schwierigste Aufgabe sein.
Zärtliche Nähe
Zärtliche Nähe bedeutet, Berührbarkeit zuzulassen – emotional, geistig und auch im Miteinander. Es zeigt sich im Mitfühlen eines Freundes, im sanften Halten einer Hand oder im geduldigen Beisein. Diese Nähe schenkt Wärme und Vertrauen und öffnet Räume für Intimität, die heilend wirkt. Aber auch der Wille meine Mitmenschen zu berühren, ihnen mit Verbundenheit und Wohlwollen zu begegnen folgt aus diesem Wert. Wenn ich von Anfang an an das Gute in meinem Mitmenschen glaube und ihm in dieser Haltung begegne. Zärtlich begegne ich aber auch mir selbst – nehme mich an, so wie ich bin und berühre mich sowohl emotional wie auch auf anderen Wegen zärtlich. Gerade Zärtlichkeit gegenüber uns selbst mag die härteste Übung sein.
Barmherzige Begleitung
Barmherzige Begleitung ist das aktive Mitgehen mit anderen. Wenn Menschen leiden oder ins Straucheln geraten, begleite ich sie, ohne sie zu bevormunden. Es ist das Spiegeln der göttlichen Barmherzigkeit im Alltag: Trost spenden, Hoffnung weitertragen, Schritte gemeinsam gehen – ohne zu drängen, aber mit offenem Herzen. Gleichzeitig wird hier ganz deutlich zu spüren, was der Heilige Vinzenz von Paul gelehrt hat und Franz von Assisi eindrücklich vorlebte: „Liebe sei Tat.“ Barmherzigkeit ist praktischer orientiert als bloße Empathie, aber liebevoller und empathischer als bloße und zweckmäßig oientierte Hilfsbereitschaft. Barmherzig dürfen wir dabei auch mit uns und unseren Fehlern, Unzulänglichkeiten und unserer Kontingenz umgehen. Wie wir anderen begegnen, so sollten wir zumindest auch uns selbst begegnen – getragen vom Wissen der Liebe Gottes zu uns. Ein ständiger Prozess, der gar nicht so einfach ist 😉
Wahrhafte Klarheit
Wahrhafte Klarheit bedeutet, authentisch zu sein, ehrlich und aufrichtig zu handeln. Ich strebe danach, in Worten und Taten kongruent zu sein, Entscheidungen aus innerer Überzeugung zu treffen und mein Handeln von Liebe und Gerechtigkeit leiten zu lassen. Diese Klarheit schafft Vertrauen – zu mir selbst, zu anderen und zu Gott. „Ecken und Kanten zeigen“, nannte einmal eine geistliche Begleiterin und Mentorin auf meinem Weg diese Haltung. Und ich übe seit dem regelmäßig daran. Mal will dieser Punkt mehr und mal weniger gelingen.
Lebensbejahung
Lebensbejahung ist das bewusste Ja zum Leben in all seinen Facetten. Es zeigt sich, wenn ich aktiv fördere, was lebt – in der Natur, bei Mitmenschen oder in kleinen Projekten. Es ist das Staunen über die Schönheit der Schöpfung, das Pflegen von Freude und Kreativität und das bewusste Gestalten von Leben, das wächst und gedeiht
Diese Werte werden lebendig, wenn ich sie im Alltag übe – in Begegnungen, in Entscheidungen, in den kleinen Gesten der Aufmerksamkeit. Sie sind wie ein innerer Kompass, der mich leitet: wachsam, liebend, zärtlich, barmherzig, klar und lebensbejahend.
Wenn ich sie bewusst lebe, spüre ich, wie Spiritualität und gelebte Nächstenliebe zusammenfließen – inspiriert von franziskanischer Einfachheit und vinzentinischem Mitgehen. So möchte ich auch einmal in meinem Wirken als Seelsorger meinen Mitmenschen und mir selbst begegnen.
Mir ist dabei aber wichtig zu betonen: Die Umsetzung dieser Werte ist ein Prozess. Ich habe sie mir vorgenommen. Ob mir das wirklich immer so gut gelingt, steht leider wieder auf einem anderen Blatt…
Hinterlass‘ mir gerne einen Kommentar!


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